Pfirsichwangen, Testballon -Pflanzen und Marie Kondo (Grüße aus der Pause)
Ein Lebenszeichen aus der Pause! Seit über vier Monaten mache ich jetzt nichts, nichts, nichts, und ich dachte, ich schreibe mal wieder ein paar Notizen aus der Versenkung.
Pause mache ich natürlich nicht von meiner eigentlichen Arbeit – mir geilen Scheiß ausdenken – sondern von allem, was Außendienst ist. Pause von Aufträgen, Abgaben, Verabredungen, Verpflichtungen. Von Allem, wo ich zu irgendeiner Zeit irgendwo sein muss, oder auch nur irgendwas zuverlässig machen und irgendwo hinschicken.*
Stattdessen habe ich, Überraschung, viel „Familie gemacht“, wie man so schön sagt, was hauptsächlich wunderschön war (Basteln, Cornelia Funke vorlesen, Harry Potter vorlesen, pfirsichweiche Wangen tätscheln) und teilweise weniger schön (Berliner Schulscheiße, Bildschirmzeiten, Vorpubertät, Deutschrap). Womit man sich halt so rumschlägt, als Rockstar in Teilzeitrente.
Tatsächlich bedeutet Pause machen, wenn man so einen Beruf hat wie ich, auch immer den Versuch, einen soliden Boden reinzuziehen ins eigentliche Leben und endlich alle Sachen zu machen, die in den vergangenen (zehn? zwanzig?) Jahren liegen geblieben sind.
Ich habe die Wände meiner Arbeitswohnung grün gestrichen, habe mir endlich ein angemessen zenmäßiges, minimalistisches Arbeitszimmer zuhause freigeräumt, habe Kinderbilder aussortiert und Erwachsenenbilder gerahmt und eine Testballon –Pflanze gekauft, die schon seit vier Wochen überlebt. Ich habe, Überraschung, noch mehr Allergikerhunde gegoogelt und treffe demnächst einen Welpenberater.
Nebenher habe ich mit sehr viel Freude einen drastischen, kathartischen Frühjahrsputz hingelegt, natürlich mit Hilfe der entzückenden Marie Kondo. Ich frage mich übrigens, wieviele Paare Spanx Frau Kondo wohl auf dem Gewissen hat. „Does this spah –keh joy?“ FUUUUUUUUCK NO!!!“
Von wegen mühsam zusammengehalten: nebenher habe ich angefangen, meinen Körper zu reparieren. Der war sowieso noch nie der Verlässlichste ( ,als Referenz empfehle ich meinen 2013er Smashhit „Havarie,“), aber 2017 wurde er mit meiner Meningitis noch mal so richtig durch die Mangel genommen. Beziehungsweise wollte mir jene Meninigitis vielleicht subtil („Dein Gehirn platzt!!!“) was zeigen. Zum Beispiel, wie doll ich ihn durch die Mangel genommen hatte, in den Jahren davor.
Jener arme Körper hat sich dann, frisch genesen, wahrscheinlich ein bisschen gewundert über mich: dass ich ihn direkt im Anschluss an so viel Drama (Gehiiiiiirn!!! Plaaaatzt!!!) noch so viel und unbeirrt durch die Gegend geschleift habe. Zum Beispiel nach Südafrika und zurück, oder auch nach Ludwigshafen und Ingolstadt. Ging ja auch wieder! Und hat so viel Spaß gemacht! Das hat er mir dann auf der Herbsttour mit Stimmproblemen quittiert, und danach, zuhause, mit Erschöpfung, und Grippe, und generell, mal wieder, tiefem Ennui bezüglich der beruflicheren Seiten meines Berufs.
Ich bin sehr froh, dass dieser Körper, denn ich ja eigentlich sehr mag, sich und mich nicht ganz aufgegeben hat. Und deshalb bin ich jetzt, in dieser Pause, sehr lieb zu ihm. Ich mache zwei, drei Mal die Woche Pilates und arbeite stoisch eine einschüchternde Liste von Arztbesuchen ab. So kümmere ich mich mit unerschütterlich guter Laune um: meine allgemeine Konstitution (mies), meine Allergien (irgendwie besser, vielleicht), mein Asthma (besser), meine Schulter (vielleicht doch mal reingucken?), meinen drei Jahre alten Bänderriss (weia), meine Weisheitszähne (aarrrgh) und meine geschundene Psyche (uff). Das Alles ist nur sehr teilweise erfreulich, auf der anderen Seite finde ich viele tolle und hilfreiche Dinge heraus, die ich euch dann demnächst voller Eifer an die Hucke schreiben kann (Texte über Heart Rate Variability Training, Buteyko-Atmung, Hypnose und die Freuden der Psychotherapie folgen bestimmt.)
Und ja, ich weiß, das hätte man alles vermeiden können, wenn man einfach mit Dreißig würdevoll am eigenen Erbrochenen verreckt wäre. Aber nein! Ich hatte noch so viel vor.
Ansonsten nutze ich meine Pause heimlich zum kreativen Arbeiten, aber (fast) nur in meinem Kopf, ich lasse los und lasse kommen, umkreise und beschnuppere neue Ideen und Projekte, ohne sie aber in Arbeit ausarten zu lassen. Hauptsächlich verfolge ich eine Art Selbststudium, höre jeden Tag Podcasts, gucke Ted Talks, netflixe mich um Kopf und Kragen und lese, lese, lese. Und, Überraschung: nie bin ich so glücklich, wie wenn ich den ganzen Tag alleine sein kann (– was auch in der Pause eher selten vorkommt–) und was Neues lerne.
Und natürlich ist das Pausemachen in Wirklichkeit keine ruhige Angelegenheit. In der Stille legen sich riesige Hebel um, es quietscht und knarzt und scheppert. Aber es gehen große, schwere Türen auf. Mein Verdacht: 2019 wird nach außen vielleicht ein stilleres, drinneneres Jahr bleiben. Aber vielleicht kann ich euch bald durch die sich öffnenden Türen gucken lassen. Und das Knarzen und Scheppern wird auch irgendwie wieder zu Kunst, ganz sicher.
*Disclaimer: Minimalste Ausnahmen werden demnächst sichtbar werden. Ich bin nämlich doch eine winzig kleine Verpflichtung eingegangen, die ungefähr vier Tage echte Arbeit und den üblichen Rattenschwanz an Drumherum bedeutet hat, und das Ergebnis ist sehr schön und ein bisschen spektakulär und… kommt bald.