Sleepless in Tórshavn, Teil 6
Don´t try this at home
Sieben Songs haben wir an den sieben Tagen eingetütet. Völlig verrückt. Wahrscheinlich sollte man dazu sagen: „Don´t try this at home. Everything depicted in this blog entry was performed by professional stuntmen.“
Ach, andererseits: Please, try this at home. Sieben Tage lang am Stück von elf bis elf zu schreiben, bei kaltem Kaffee und ohne nennenswerte Pausen? Definitiv keine Arbeitsweise, die man dauerhaft durchziehen sollte, und wahrscheinlich werde ich zuhause erst Mal drei Wochen lang mein Gehirn durchlüften müssen. Aber hat es Spaß gemacht? Spaß ist nicht das Wort. Ich schwebe, fliege, summe – und bringe Energie für mindestens die nächsten drei Platten mit nach hause.
Der Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi ( – Echt! Ich kaufe ein Y! -) sagt, die Grundvorraussetzung für „Flow“ sei, genau das richtige Verhältnis zwischen dem Grad von Herausforderung und den eigenen Fähigkeiten zu treffen. Dazu müsste die Möglichkeit gegeben sein, sich vollkommen zu konzentrieren – und ein klar umrissenes Ziel braucht es obendrein. Man addiere, nicht unwesentlich, das Gefühl von Sinnhaftigkeit, und fertig ist das Fließgefühl, das entzückende. Check, check, check und check, Herr Csikszentmihalyi.
Im Übrigen passt, wie schon an anderer Stelle erwähnt, dieses eruptive Arbeiten erstaunlich gut zu meiner fernuniversitären Ausbildung zum professionellen Nichtsnutz. Die Ausbrüche gehören zu wirklich ernst gemeinter Nichtsnutzerei dazu – geht es doch darum, nicht gegen die eigenen Kräfte und Leidenschaften zu arbeiten, sondern mit ihnen. Und im Umkehrschluss auch nicht (dauerhaft) gegen Müdigkeit, Unwillen oder Flausen. Das ist natürlich ein Konzept von Arbeit, das auf den ersten Blick schlecht zu unserem Bild von bezahlter Erwerbstätigkeit passt – in Wirklichkeit aber besser passen könnte, als wir glauben. Ich schwöre.
Aber ach, ich verliere mich. Bei Neugierde bitte meinen Ukulele –schwingenden Lieblingsphilosophen Tom Hodgkinson lesen (How to be Idle/ Die Kunst des Müßiggangs), zum Beispiel).
Ich auf jeden Fall werde ich weiter die Extreme ausloten von Tun und Nichttun. Zuhause kommt dann auf jeden Fall erstmal: Nicht tun. Begleitet von professionellem Nasebohren.
Am achten Tage übrigens gehen wir zu allem Überfluß noch ins Studio und nehmen für sechs dieser Songs, die wir bisher nur auf dem Computer skizziert haben, ernst zu nehmende Demos auf. Um sie so schön, wie sie in unserem Kopf klingen, hörbar zu machen, und sei es nur für uns selbst.
Sechs Songs an einem Tag aufzunehmen, das funktioniert natürlich nur, weil alle Leute, mit denen Teitur arbeitet, professionelle Stuntmen sind. Namentlich: Jonas Bloch Danielsen, der Eigentümer des wunderschönen Studio Bloch mit den offenen Steinwänden – Jonas, der macht das jedes Fußrascheln klingt wie, ähm, Engelsflügelrascheln. Und dass Teiturs Klavier klingt wie… Teiturs Klavier eben. Und dann Per I. Højgaard Petersen, der völlig wahnsinnige Drummer, der ansonsten, unter anderem, auch bei der Heilsarmee spielt. Und natürlich in einer Deathmetalband. Und Teiturs Freundin Ingilín Strøm, die in der Küche sitzt und mit der rechten Hand Comics zeichnet und mit der linken unfassbargutes Essen kocht.
Und ja, am Abend dieses achten Tages geht auch uns, den Stuntmen, die Puste aus. Wir beginnen zu schwanken und zu faseln – und es gibt einen unschönen Moment, in dem wir kurz glauben, eventuell alles gelöscht zu haben, mit dem Ellenbogen. Aber trotzdem, als ich am nächsten Morgen zum Flughafen fahre, habe ich sechs tolle Aufnahmen unter dem Arm, und es sind sicher Sachen dabei, die genau so auf meiner Platte landen werden.
Für wen die englischen Songs sein sollen, habe ich immer noch keine Ahnung. Ein paar wird Teitur adoptieren, andere klingen aus Teiturs Mund so absurd wie aus meinem. Ich merke auf jeden Fall, wie bei mir knarzend und ächzend alle Schleusen aufgehen, die ich jahrelang künstlich verschlossen gehalten habe. Wie viele Ideen habe ich abgetrieben, weil ich dachte „JEMAND sollte mal einen Song schreiben, der…“ Dieser Jemand bin ab jetzt einfach immer ich, auch wenn der Jemand eigentlich ein Mann sein müsste, oder ein Teenager, oder eine popowackelnde Amerikanerin, oder ein Arschloch, oder Lana Del Rey. Oder James Taylor. Ich hau jetzt einfach alles raus. Und schätzungsweise fahre ich zu dem Zweck noch das eine oder andere Mal auf die Färöer Inseln.