Notizen aus Kreuzberg …1980: Kinder der Kinder der Revolution
Ich habe diesen Text für die Taz geschrieben, das Thema war äääh, meine eigene sexuelle Revolution, oder so ähnlich. Vielleicht war es auch etwas komplett anderes, so was wie: „Ihre Meinung zur Großen Koalition“ und ich wollte nur ein bisschen durchdrehen. Wie auch immer. Ich dachte mir jedenfalls, das könnte euch auch gefallen:
Ein Kind der sexuellen Revolution? Hier! Ich wurde auf einem Flokati gezeugt, und nach der Geburt flausten mir meine zotteligen Eltern die Flokatihaare vom schrumpeligen Leib – gemeinsam mit ihren acht potentiellen (und tatsächlichen) WG-/ Sexualpartnern, die allesamt auf meinen Kindheitsfotos nicht wirklich von meinem Vater zu unterscheiden sind.
Zu Kinderladenbeginn war ich längst gründlich aufgeklärt, für den Fall der Fälle lagen dort aber all jene Bücher offen herum, für deren Gutfinden hochrangige Politiker heute Ärger kriegen.
Wenn unsere Eltern in der Küche saßen, rauchend und mit übergeschlagenen Beinen, und diskutierten, ob es ok sei, dass der Dings die Bums an den Haaren gezogen hatte, dann versteckten wir Kinder uns im Kollektiv im toten Winkel des Kinderladen –Hochbetts und spielten Ficken.
In offenbarer Sehnsucht nach eindeutiger Autorität benannten wir dabei Einen (meistens den Dings, der die Bums an den Haaren gezogen hatte,) zum Vorarbeiter, der uns lautstark dirigierte, während wir in braven Zweierkonstellationen Liegestützen übten.
Meine eigene, echte sexuelle Revolution kam dann später, als ich merkte, dass man beim Sex auf niemanden hören muss, der einen an den Haaren zieht.