Sozial ungelenk und selig: Sing meinen Song 7
In diesen ersten Tagen nutzen wir jede Pause, um in dieser wunderbaren Parallelrealität anzukommen. Die Bewältigungsstrategien sind unterschiedlich:
Marian schickt beständig verzückte Selfies mit lokalem Gestrüpp im Hintergrund, selig feixend und hawaiibehemdet.
Leslie liegt in ihrem Zimmer und liest die dort ausliegende Ratgeberliteratur, der auch ich bald verfallen soll: „Things I Know For Sure“ von Oprah Winfrey. Eine seltsam tiefenentspannende Sammlung von Kalendersprüchen und Kniggetipps für Superreiche: „Nichts macht so tief zufrieden, wie seiner besten Freundin ein Auto zu schenken!“
Mary lustwandelt dekorativ durch die Gärten, Schmetterlinge und Vögelchen auf ihren Schultern, oder sitzt mit ihrem reizenden, erwachsenen Sohn am Tisch auf der Terasse, wo ich sie oft besuche.
Rea erkundet enthusiastisch die nahegelegenen Strände und bringt schon am ersten Abend einen irisch- folkloristischen Sonnenbrand nach Hause, den die reizenden Frauen von der Maske duldsam versuchen, in Richtung „Handsome Savage“ umzudeuten.
Johannes kriegen wir die ersten Tage wenig zu Gesicht, weil er ja als Erster dran ist, und deshalb ständig an uns vorbeigelotst wird, mit Scheuklappen und verbundenen Augen, damit er bloß nichts von unseren Proben mitbekommt.
Ich selbst genieße den warmen Stein unter den nackigen Füßen, schlafe, wann immer ich kann und blitzentspanne mich in den kürzeren Pausen mit meiner Selbsthypnose –App ( genannt „HypnoBox“, von der ich an anderer Stelle noch ausführlich berichten werde, weil, die ist toll). Des Weiteren pflege ich mein strapaziertes Stimmlein, in dem ich ausgiebig in einen Schlauch jodele (auch zum „Lax –Voxen“ demnächst mehr, weil: auch toll.)
Nur Mark hat augenscheinlich gar keine Freizeit. Immer, wenn wir Anderen irgendwelchen Quatsch machen, sitzt Mark verschwörerisch mit dem Team um einen Tisch, um die nächste Sendung vorbereiten. „Wie, wenn man im Ferienlager seiner Jugend plötzlich zu den Betreuern gehört“, denke ich. Nur für den Fall, dass Mark sich noch nicht entschieden hat, wie er sich fühlen soll, biete ich ihm diesen schönen Vergleich an. Er seufzt leise. Ich glaube, er würde auch gerne mit den anderen Kindern spielen.
Der erste Dreh…
… führt uns direkt an den Strand, den wir bisher nur sehnsuchtsvoll aus der Ferne bestaunt haben. Jauchzend vor Vergnügen, gemischt mit heller Todesangst, heizen wir
mit dem Ranger Bongani im Jeep durch die endlosen, weißen Dünen. Der Wind windet und flattert, so dass wir jegliche Versuche von Konversation schnell einstellen, und der Jeep legt sich so stark in die Kurven, dass man mit ausgestreckter Hand den Sand berühren könnte. Machen wir aber, nach einem scharfen, kurzen Hinweis von Bongani, nicht. Und auch Marian und Rea, die sich auf dem „Hot Seat“ vorne auf der Jeepnase abwechseln, verstummen, nach anfänglichem dicke Hose –Geflaxe, schnell und vollständig. Die Dünen erstrecken sich endlos entlang der rauen Küste, eine unwirkliche Landschaft irgendwo zwischen Sahara und Feuerland. Und immer, immer zieht der Wind an den Haaren, immer knirscht der Sand zwischen den Zähnen, weil man den Mund nicht zu kriegt vor Staunen und stummen Schreien.
Die letzten paar hundert Meter zum Strandpicknick darf Johannes fahren. Wir wissen, dass schon unsere Ankunft
gefilmt wird, es ist Marks erster großer Auftritt als Gastgeber, „er“ hat ein „kleines“ Picknick „vorbereitet“ und wir sollen uns in spontaner Widersehensfreude in die Arme fallen. Über uns kreist eine sehr teure Drone, die, mal ehrlich, wahrscheinlich auch das Picknick vorbereitet hat.
Ich bin ein wenig befangen, noch mit dem Bremsenquietschen überkommt mich einer jener holofernesschen Schüchternheitsanfälle, von dem ihr noch in meiner Doku hören sollt. Als wir mit wackeligen Beinen aussteigen und Mark mit jovialem Gastgeberlächeln auf uns zukommt, hinter ihm das atemberaubend schöne Postkartenmeer, frage ich ihn deshalb scheu, aber gut hörbar: „Warum liegt denn hier so viel Stroh rum?“
Erwähnte ich, dass schüchtern in meinem Fall bedeutet:
„sozial ungelenk und situationsinadequat“? Mark kichert und scheint kurz den Faden zu verlieren. Sofort bereue ich, ihm seinen ersten Auftritt verhagelt zu haben. Um nicht noch mehr Quatsch zu machen, stecke ich mir einen großen Klumpen köstlichen, hausgemachten Karamell zwischen die Zähne. Den Rest des ersten Drehs sitze ich sittsam auf meinem Faltstühlchen und bin hauptsächlich damit beschäftigt, nicht rückwärts in den Sand zu fallen und mit weiten Armen Engel zu spielen.