Sleepless in Tórshavn
Teil 1: Teitur, Catherine, Johnathan und ich
Ich fliege auf die Färöer! Davon weiß ich selbst erst seit fünf Tagen, und so zottelt mir mein Gehirn ungläubig hinterher, als ich über das kleine Rollfeld zum winzigen Flachdach –Flughafengebäude laufe. Weder die schroffen, monochromen Hügel ringsherum, noch der dräuend bewölkte Katastrophenfilmhimmel scheinen mir dringend beim Realitätsabgleich helfen zu wollen.
Aber doch, ja, da hinter der Schranke steht strahlend mein frischgewonnener Freund Teitur. Dabei haben wir uns doch gerade vor zwei Wochen noch in Berlin gesehen – und dass er tatsächlich auf den Färöern lebt, war im Café in Keuzberg nicht mehr als eine skurille Anekdote gewesen.
Teitur und ich, wir kennen uns, seit Teitur herausgefunden hat, dass ich sein Lied „Catherine the Waitress“ bei meinen Konzerten singe. Auf deutsch, als „Jonathan, der Kellner.“ Teitur war nicht empört, glücklicherweise, sondern erfreut und intrigued. Und so trafen wir uns vor über einem Jahr zu einem ersten Kaffee – in einem Café, in dem absurdistisch- schicksalhaft sein „You´re the Ocean“ im Hintergrund lief, obwohl wir uns sicher waren, dass ihn niemand erkannt hatte.
Es war der Beginn einer wunderbaren Bromance, ausgedrückt zunächst in zeitgemäß frenetischem Hin- und Hergeschicke von Unterhaltungstipps. Vor zwei Wochen fielen dann überraschend zwei Tage aus Teiturs Tourkalender und verschafften ihm zwei „Offdays“ in Deutschland. Und so trafen wir uns in Berlin, zum Schreiben.
Die zwei kurzen Tage verbrachten wir bei zugezogenen Vorhängen in meiner Arbeitswohnung und schrieben vier Songs, allesamt auf Englisch – ohne zu überlegen, für wen die eigentlich sein sollen. Einen davon hatte ich halb fertig mitgbracht, mit englischem und deutschem Text in der Tasche, beide jedoch eindeutig aus Männerperspektive erzählt. Ich war beim Schreiben (mal wieder!) der der Illusion erlegen, ich sei James Taylor. Als Teitur am Ende das Demo einsingt, treibt es mir die Tränen in Augen. Teitur singt genau so, wie ich singen wollen würde, wäre ich ein Mann! Wahrscheinlich, weil auch er hin und wieder denkt, er sei James Taylor. Nur dass er deutlich besser damit durchkommt.
Zwei der anderen Lieder entstehen aus Ideen von Teitur, einer davon ist anfangs nicht mehr als eine vage Ahnung von einem Song (Vögel!?), der andere hat einen fast fertigen Text mit fast fertiger Melodie. Der Vierte ist ein gallopierend alberner Zwölf –Minuten -Blues (B-b-b- baaaad Chihuaha!!!) -geschrieben zwischen zwölf und zwei Uhr Nachts am zweiten Tag. Als Teitur abreist, versprechen wir uns, das ganz bald wieder zu machen und uns gegenseitig bis dahin fernmündlich mit Ideen zu beballern.
Und jetzt, keine zweieinhalb Wochen später, bin ich hier. Auf den Färöer Inseln. Teitur hatte gesagt: „Genau jetzt würde eigentlich gut passen. Oder September?“ Und weil es im September auf den Färöern immer dunkel ist, und jetzt gerade immer hell, habe ich kurzentschlossen ein Flugticket gekauft. Die Mittsommernacht, die hellste Nacht des Jahres, habe ich um nur einen Tag verpasst. Viereinhalb Stunden bin ich über Kopenhagen hierhergeflogen. Als ich ankomme, herrschen sommerliche Temperaturen zwischen 9 und 11 Grad.
Anmerkung: Liebe Meeresfreunde, bitte postet keine Bilder von toten Walen mehr in mein Tagebuch. Ich weiß vom „Grindadrap.“ Das heißt: ihr könnt davon ausgehen, dass ich mich dem zuwende, wenn (und wann) ich es möchte. Ich respektiere euer Hingabe an den Tierschutz, bitte respektiert im Gegenzug meine Kunst und meine Erzählung. Und mein digitales Zuhause.