Sleepless in Tórshavn, Teil 4:
Take this Waltz
Ich bin jetzt seit vier Tagen hier und ich mein Gehirn summt in einer Mischung aus Schlaflosigkeit und dieser hell lichten Energie, die ich nur den nachtlosen Nächten zuschreiben kann – und der Musik. Bis jetzt haben wir jeden Tag einen Song geschrieben, zwei auf deutsch – beide ziemlich eindeutig für mich – und zwei auf Englisch, für Teitur oder, ähm, Lana del Rey.
Jeden freundschaftlichen Versuch, uns zu touristischen Unternehmungen zu bewegen, wischen wir mit fahrigen Händen beiseite. Ein einziges Mal wären wir beinahe mit Teiturs Vater auf einen Berg gestiegen, aber dann hat es glücklicherweise geregnet. Und ich, leidenschaftliche Nichtsnutzerei –Advokatin, bin im siebten Himmel. Was für ein Glück, einen Freakfreund zu finden, der genau so anfallsartig und eruptiv arbeitet, wie ich. Denn das gehört, zumindest bei mir, zur professionellen Nichtsnutzerei dazu – zu arbeiten wie bescheuert, wenn die Energie dazu da ist, und wenn nicht, dann halt nicht. Jetzt gerade ist sie da, die Energie – nächste Woche werde ich wahrscheinlich vor mich hin stierend auf dem Sofa verbringen.
Und so werfen wir uns mit manischem Elan in jeden der zwölf Stunden –Arbeitstage, und sind im Übrigen dankbar, dass Teiturs Freunde -und vor allem seine Freundin – offensichtlich an seinen Modus Operandi gewohnt sind und ihre Freizeitaktivitäten milde lächelnd an uns vorbei lavieren. Gelegentliches Gewissensziepen, dass ich doch eigentlich mehr von der Insel sehen müsste, wird durch einen Blick durch Teiturs Wohnzimmerfenster auf´s Meer hinaus vollständig verarztet. Wir brauchen nichts. Nur Mittags gehen wir jeden Tag eine Stunde mit dem dankbaren Hund spazieren und tun so, als würden wir dabei nicht über Songs nachdenken.
Die vier Songs der ersten vier Tage sind allesamt unfertige Ideen, die ich von zuhause mitgebracht habe. Am fünften Tag wagen wir uns wieder auf stürmischere Gewässer: wir schreiben einen komplett neuen Song, from scratch, angezettel von einem lose hingeworfenen Satz von Teitur. Für mich ist das die „Schwarzer Gürtel –Kategorie“ des gemeinsamen Songwritings, und eine Disziplin, auf die ich mich nur mit wenigen Leuten einlassen würde. Gemeinsam zu texten, das funktioniert nur, wenn man einander vollständig vertraut und keine Angst hat, sich zu entblößen. Gleichzeitig hat es nur dann wirklich Sinn, wenn man ein ähnliches Tempo hat im Denken und Reimen, und im Fällen von Entscheidungen, einen ähnlichen Rhythmus und ein gemeinsames Gefühl dafür, wo es lang gehen muss. Sonst tritt man sich auf die Füße wie ein Tanzpaar, bei dem einer Tango und einer Jitterbug tanzt.
Teitur und ich tanzen Walzer, dieser Tage. Das sage ich nicht nur so – wir haben offensichtlich gerade einen Hang zum Dreivierteltakt. Den aber gemeinsam, und deshalb drehen wir uns, ohne Fußgehedder, dem fünften fertigen Song entgegen.
Anmerkungswiederholung: Liebe Meeresfreunde, bitte postet keine Bilder von toten Walen mehr in mein Tagebuch. Ich weiß vom „Grindadrap“, das heißt: ihr könnt davon ausgehen, dass ich mich dem zuwenden werde, wenn (und wann) ich es möchte. Ich respektiere euer Hingabe an den Tierschutz, bitte respektiert im Gegenzug meine Kunst und meine Erzählung. Und vor Allem: mein digitales Zuhause.