Bild I (Liebe ironische Bildleser)
Lieber ironischer Bildleser. Liebe ironische Bildleserin.
Pöbeln soll ich hier! Geil. Und: Dich soll, dich darf es treffen. Welch eine Freude. Die Bildzeitung an sich ist hinlänglich bepöbelt worden, aber du, du kommst immer irgendwie ungeschoren davon. Dabei bist Du, vielmehr noch als Fudschi –Ede vom Eckkiosk, mir in deiner knuffigen Postmodernität ein massiver Schmerz in der Hüfte.
Warum? Weil du, werter IBL, mir in meinem sorgsam BILDfrei gestalteten Leben die Bildzeitung hinterher trägst. Mir, die ich vor jedem Kiosk meinen Blick senke, um dem Papst/ Henry Maske/ Serienkiller im Glaskasten den Augenkontakt zu verwehren. Und dann kommst du, und schleppst sie mir schwanzwedelnd hinterher – In Backstageräume, Tonstudios, auf Festivalgelände, in Hotelzimmer, in den Tourbus und bis auf die Tourbustoilette. Auf der man übrigens aus Hygienegründen nicht mal lange genug sitzen darf, um einen Glückskeks zu lesen, aber trotzdem: die Bildzeitung muss da liegen und liegen bleiben.
Wie im Übrigen auch in jeder linken Studenten –WG. Der ironische Bildzeitungsleser, auf Tour wie daheim, plaziert sein liebstes Lifestyleaccessoire mit Umsicht: zum Beispiel nachlässig – dekorativ halb neben, halb unter dem Cordsofa, einen Kaffeefleck genau über Brust und Gesicht der Seite – Eins –Schnallse. Die Gewieftesten runden den Gesamteindruck ab mit einer humorvoll –relativierenden Taz direkt daneben. Vielleicht fließt sogar der Kaffeefleck vom Seite – Eins –Schnallsengesicht der BILD über in das Seite – Eins –Schnallsengesicht der Taz, also der Angela ihrs, zum Beispiel. Und verbindet Medien wie Schnallsen so in einer heiter –apokalyptischen Umarmung.
Und wem diese elaborierte Dekorationsvariante verwehrt ist, weil er keine Cordcouch hat, der pinnt die ihm zugelaufene BILD mit einem postmodernen Dartpfeil an die Küchenwand, oder verteilt sie, in Ausschnitte besonderer Perfidität zerschnitten, direkt neben Regal Ivar und der witzigen Postkarte aus dem Irland -Urlaub. Und, wenn man keine Küche oder keinen Ivar und keine Postkarte hat, dann bleibt eben noch das WG – oder Tourbusklo, wo dann der BILD –Taz –verbindende Kaffeefleck gegen einen ebenso sorgsam gesetzten Pissfleck ausgetauscht wird. Und der Papst/ Henry Maske/ Serienkiller daneben sagt augenzwinkernd: natürlich liest das hier keiner. Weiß auch nicht, wie ich hierher gekommen bin. Bestimmt hat mich einer (vom Bodenreinigungspersonal oder von der GEZ oder den Zeugen Jehovas) hier vergessen, aber guck mal, wie witzig, hier steht was über mich, also den Papst /Henry Maske/ den Serienkiller, das glaubste so nicht. Kiek do` ma rin!
Aber, lieber ironischer Bildleser, Bildzerschneider, Bildbewerfer, Bildbepinkler : bevor du die Dartpfeile, den Kaffee oder deinen Piller zu Einsatz bringen konntest, hast du sie gekauft, die BILD. Und, ich weiß, ich soll mich nicht so haben, aber damit hast du dem Feind dein Geld gegeben und mit fuffzig Cent die Writer der Apokalypse finanziert. Denn die BILD ist und bleibt kein Lifestyleaccessoire, sondern, für alle Zeiten, das perfideste Werkzeug des Blöden. Blöd wie in: dumm, und „dumm“ wie in „Doom,“ also Verderben. Ach so, und du bist übrigens auch beinahe alleine daran Schuld, dass gestandene Feministinnen, nur so als Beispiel, denken, sie können Werbung für die Bild machen und damit davonkommen.
Und, ich behaupte: wenn nur die ironischen BILDleser keine BILD mehr kaufen würden, würde sowohl dem Papst als auch Henry Maske als auch dem Serienkiller als auch der Seite -Eins -Schnallse (BILD und Taz) der Arsch auf Grundeis gehen.
Tschüss, liebe Grüße,
Judith Holofernes
Original Post bei www.bildblog.de