

Ask Me Anything (3): Zu den Texten
Heute gibt´s den vielleicht spannendsten Teil meiner Auswertung vom „AMA“ aus dem Dezember: eure tollen Fragen zu den Texten, bzw. zum Texte schreiben. War für mich sehr erhellend und inspirierend, danke euch dafür!
Hier gibt´s Teil 1 (Allgemeine Fragen) und Teil 2 ( Zur Musik) vom AMA nachzulesen.
Los geht´s :
Woher nimmst du die Ideen für die Texte? Was ist deine Inspiration für deine Musik?
Um es mit Björk zu sagen: Hu-huu-hu-man behaaaaavior… Nee, im Ernst, vielleicht sind Songwriter am Ende am Ehesten so was wie singende Anthropologen? Alle meine Songs zumindest drehen sich eigentlich um die Irrungen und Wirrungen menschlichen Verhaltens. Schon als Kind war ich fasziniert von der Vorstellung, was für Tierfilme wohl Außerirdische über uns und unser seltsames Gebaren drehen würden.
Aber manchmal ziehe ich auch Ideen aus Büchern, die mich faszinieren, zum Beispiel habe ich vor zwei Jahren ein Buch mit dem unmöglichen Titel „The more beautiful world we know in our hearts is possible“ von Charles Eisenstein gelesen, das ist in einen Song eingeflossen, der heißt „Das Ende.“ Und „Antifragilität“ von Nassim Nicholas Taleb ist bestimmt in „Ich bin das Chaos“ mit eingeflossen.
In welchen Situationen kommen Dir Deine Songideen?
Überdurchschnittlich oft beim Spazierengehen, oder auf jeden Fall in Bewegung, zum Beispiel auch im Zug, beim „Aus dem Fenster gucken“…
Werden Texte auf dem Album sein, die mit deinem Leben zu tun haben?
Oder erzählst du sowieso oft über Erlebtes?
Ja, die Texte sind fast alle sehr persönlich… Sogar wenn ich denke, ich schreibe über jemand anderen, merke ich oft ein Jahr später: das bist ja wieder nur du! Aber auch mein gesamter Freundeskreis findet sich immer mal wieder sehr direkt in einem Song wieder.
„Herz oder Kopf!?“
Herz führt. Kopf darf auch mit.
Was kommt beim Songschreiben zuerst: Text, Melodie oder ein grobes Arrangement? (Ich vermute sehr, dass Du meist zuerst den Text im Kopf hast…)
Tatsächlich enstehen bei mir Text und Melodie fast immer parallel! Ich schreibe am Text, aber nebenher formiert sich im Kopf schon die fertige Melodie… Meistens gibt es dann einen Moment wo ich denke: so, jetzt kümmere ich ich mal um die Melodie, und dann merke ich, dass ich die eigentlich nur noch „raussingen“ muss, und vertrauen, dass sie auch so gehört.
Wird was Gesellschaftkritisches auf dem Album sein?
Yep. -) Auch. Am Interessantesten finde ich ja immer die Schnittstellen zum Persönlichen…
Was ist dir gerade besonders wichtig? (Was rennt dir durch den Kopf und rennt und rennt?) Ist das auch auf der Platte gelandet?
Ja, unbedingt! Klingt vielleicht schräg, aber: der Gedanke, dass die Welt nichts ist als ein Narrativ,eine Erzählung, auf die wir uns geeinigt haben. Und das wir ablegen, verneinen, verändern können.
Warum ist deutschsprachige Musik Dir wichtig und hast du jemals gedacht, ein paar Lieder von deinem neuen Album auf Englisch zu schreiben?
Ich habe einige der Songs auf „Ich bin das Chaos“ ursprünglich auf Englisch geschrieben, weil ich sie in die Schreibe –Sessions mit Teitur mit einbringen wollte… Am Ende hab ich die, die ich selber singen wollte, dann doch wieder ins Deutsche zurück übersetzt… Ich hab kurz drüber nachgedacht, ein „gemischtes“ Album zu machen, aber hab mich dagegen entschieden. Ich hatte das Gefühl, das wird komisch und inhomogen, eine Platte auf der nur ein paar englische Songs drauf sind. Ich will ja, dass man auf einem Album einer Erzählstimme zuhörtt, und eine andere Sprache bedeutet auch: anderer Erzähler. Das Schöne daran: durch das Rüc -Übersetzen konnte ich manche Songs gleich zweimal schreiben, das hat sehr viel Spaß gemacht. Vor Allem bei einem Song, „Analogpunk“, der war sowieso eine einzige Spielerei, und da war es toll, alle Levels gleich zweimal durchspielen zu können.
Schreibst du für dich anders als für andere Künstler? (Bosse, Maxim…)
Ja, ganz anders! Wenn ich mit anderen schreibe, sehe ich mich eher als Hebamme und versuche, denjenigen darin zu unterstützen, den Song zu schreiben, den ER schreiben will…
Kennst du das Gefühl beim Schreiben, das der gerade entstehende Text plötzlich ein Eigenleben entwickelt, eine eigene Dynamik? Und du gewissermaßen von einem Schöpfer zu einem Geburtshelfer wirst?
Absolut, viele Songs landen ganz woanders, als ich Anfangs dachte! Manchmal werde ich sogar von einem besonders absurden Reim in eine völlig neue Richtung getragen, die am Ende dann aber total „stimmt.“
Kannst Du genauso gut schreiben in leichten wie in schwierigen Lebenssituationen?
Bei mir hat das immer eine Latenz, eigentlich… Über die wirklich schwierigen Dinge schreibe ich meistens mit Verzögerung, wenn ich mich einigermaßen „gefahrlos“ in eine bestimmt Verfassung zurück begeben kann, freiwillig…
Wie weißt du, dass ein Song „es“ ist? Wirst du schon bei der ersten Idee für einen Song kribbelig oder hast du irgendwann im Prozess das kribbelige „Ja“-Gefühl, dass der Song gut (genug) ist? Wie triffst du die Entscheidung, ob eine Idee es „wert“ ist verfolgt zu werden oder nicht?
Ja, ich bin von einem „guten“ Song meistens sofort völlig euphorisiert, so als hätte ich den Song selber entdeckt, nicht geschrieben. :-) Manche Songs sträuben sich aber auch, da habe ich am Anfang gleich ein klares Gefühl, wo der mal „landen“ muss, es dauert aber, bis ich ihn genau da habe.
Sitzt Du lange an Deinen Texten, oder sprudeln sie aus Dir raus? Hast Du diese Bilder, die Du (be)schreibst, schon vorher im Kopf, oder entstehen sie beim schreiben? Was ist zuerst, Wort oder Melodie?
Ich sitze und feile schon lange, aber manchmal sprudelt es auch… Oder, besser gesagt; ich habe eigentlich gelernt, dass man es sich viel leichter macht, wenn man das erste Sprudeln mitnimmt und den Song quasi sofort „nach hause reitet“… dann wird´s auch meistens nicht so ein Getüftel… Andererseits: es gibt Songs, bei denen die Form einen großen Teil des „Witzes“ ausmacht, und da kann ich schon gut drauf durchdrehen dann, und ganz schön lange dran schrauben… Andere wieder sind fast nur Herz und die Worte folgen völlig mühelos der ursprünglichen Idee… Und: bei mir entwickeln sich Text und Melodie fast immer gleichzeitig, also parallel!
Wenn Du textest, läuft dann vor Deinem inneren Auge ein Film ab, eine Geschichte?
Ja, besonders beim neuen Album! Das ist sehr „cinematisch“, für mein Gefühl, und teiweise scheinen die Geschichten einen Zusammenhang zu haben. Wie ein kleines Musical beinahe, in dem alle Protagonisten die gleiche Welt bewohnen und auf unterschiedliche Weise mit ihr hadern.
Was machst du, beim Texte verfassen, wenn du, wenn überhaupt, mal eine Totalblockade hast?
Da hab ich tatsächlich ziemlich viel Handwerkzeug angesammelt, das mir in schwierigen Situationen weiterhilft. Ich war mit den Helden früh in der Situation, unter großem Druck mein Schreiben beschützen zu wollen, und irgendwie habe ich es immer geschafft, mich beim Schreiben in eine Blase zurückzuziehen und alles andere draußen zu halten. Aber einfach war das nie, und deshalb habe ich mich von Anfang an auch immer sehr dafür interessiert, wie Kreativität funktioniert, was man tun kann, um sie zu nähren, was die stärksten Hindernisse sind… So viel, dass ich ein bisschen drüber nachdenke, mal einen Podcast dazu zu machen und ein bisschen was darüber zu erzählen, so ein tolles Feld, so viele tolle und auch lustige Techniken… Aber in kurz würde ich vielleicht sagen: Übt euch im NICHTS TUN!!! Aber profimäßig, nicht irgendwie so ein bisschen, sondern „Nichts tun, jetzt erst recht.“ Also, zum Beispiel: vier Stunden lang. Nichts. Tun.